Geschichte

Die Story der Lanzfreunde Sachsen

Es war an einem Sonntag im Mai 1984. Den ganzen Tag strahlte die Sonne und es war ein schöner warmer Frühlingstag.

Familie Bärsch, die in Stünz, einem östlichen Vorstadtteil von Leipzig ein Fuhrunternehmen betrieb, erwartete Besuch. Die Vorbereitungen dazu waren erledigt. Ehefrau Gitta hatte mit viel Liebe einen Imbiss vorbereitet, und Horst kümmerte sich um die Getränke. Er hatte einen Vorrat Wernesgrüner Pilsener organisiert. Die Einladung an Erich Beyreuther mit Frau Annerose und Erhard Böhme mit Frau Karin aus Störmthal war schon lange ausgesprochen. Endlich hatten sich die beiden Paare aufgerafft, den schon bald überfälligen Besuch in die Tat umzusetzen.

Die drei Männer kannten sich schon sehr lange, denn in ihrem Leben hatten die Lanz-Bulldogs eine bedeutende Rolle gespielt.

Horst Bärsch hat von der „Pike auf“ die Licht- und Schattenseiten der Bulldogs vor der Dreschmaschine und den Lastenanhängern durchgestanden, denn Vater Bärsch war Landwirt und betrieb nebenbei ein Lohndrusch- und Fuhrunternehmen. Bis Ende der 195Oer Jahre waren das Mähen und Dreschen des Getreides, im Gegensatz zu dem heute üblichen Mähdrusch auf dem Feld, getrennte Arbeitsgänge. Hier dient ein 22l 28 PS-Verdampfer-Großbulldog von 1927 als Antriebsmotor für die Lanz-Dreschmaschine. Horst hat schon frühzeitig damit angefangen, Bulldogs zu sammeln. Als 15jähriger Junge barg er einen alten Lanz-Großverdampfer vom Feldrain und brachte ihn mit nach Hause. Seither ließen ihn die Bulldogs nicht mehr los, es wurde ein Hobby daraus, und inzwischen ist eine Bulldogsammlung entstanden, die er seinen Besuchern zeigen möchte. Hoffentlich sind sie pünktlich, denkt er, denn man wird Zeit brauchen, wenn man sich durch die recht ansehnliche Sammlung durcharbeiten wollte. Erich Beyreuther ist Meister für Landmaschinen und Traktoren, und betreibt in Störmthal eine angesehene Schlosserwerkstatt. Dieser Betrieb ist überall seit mindestens vierzig Jahren als Lanz-Bulldog-Werkstatt bekannt, und die Kunden kommen von überall her – aus der ganzen Bundesrepublik. Es ist wohl eine der letzten dieser Art Werkstätten die es noch gibt. Obwohl der Meister ein Berufsleben lang mit der Instandsetzung der Lanz-Schlepper verbracht hat, ist sein Interesse für die Bulldogs ungebrochen. Auch heute noch, wie in früheren Zeiten, kann man Reparatur-Bulldogs auf seinem Werkstatthof sehen. Als Besucher hat man plötzlich den Eindruck, mitten im Lanzwerk in Mannheim zu sein.

Erhard Böhme, ebenfalls aus Störmthal, ist Gastwirt und Fuhrunternehmer. Viele Jahre hindurch hat er auf dem Verkehrsbulldog verbracht und bei brütender Hitze, grimmiger Kälte, Regen und Schnee seine Transporte gefahren. Sand, Braunkohle, Briketts, schweres Stückgut, Betonteile, Fässer, Tag für Tag im harten Einsatz, auf den Straßen unterwegs. Trotz vieler gesundheitsschädigender Belastungen, wie Lärm, Stauch- und Schüttelschwingungen, unzureichendem Schutz vor Wind und Kälte hat sich auch er, wie die meisten alten Bulldogfahrer, ein Herz für diese Maschinen bewahrt.

Gitta, Annerose und Karin sind inzwischen in den Garten gegangen, wo jetzt im Mai ein Blumenmeer von besonderer Schönheit zu bewundern ist. Die Besichtigung der Schleppersammlung ist fast beendet, doch man kann sich von einem Exemplar eines der ältesten aller Bulldogs, einem 12 PS HL von 1922, nicht losreißen. Es ist ein Gespannbulldog, der noch recht gut erhalten ist. Diese seltene Maschine ist eigentlich nur ein Motor zum Antrieb von Dresch-, Häckselmaschinen, Strohpressen und anderen landwirtschaftlichen Arbeitsmaschinen, der auf ein Fahrgestell montiert ist. Zum Einsatzort mußte diese Maschine mit einem Pferdegespann gefahren werden. Meister Beyreuther prüft durch Hin- und Herpendeln am Schwungrad die Kompression. Am liebsten hätten die drei den Motor einmal angeheizt. Man hat sich auf der Terrasse gemütlich niedergelassen und erzählt sich Geschichten aus der Bulldogzeit. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt. Allen ist auf einmal klar, daß so, wie diese Erinnerungen im Laufe der Zeit verloren gehen, auch die noch verbliebenen Sachzeugen nach und nach verschwinden werden. Und mit dem Wechsel der Generationen kommt eine Zeit, da kann sich kaum jemand vorstellen, wie man früher den Boden gepflügt und gesät hat und wie geerntet und transportiert wurde. Innerhalb des ADMV würde sich ein Traktoren-Club gut einordnen lassen. In diesem Verband waren alle möglichen Motorsportarten, vom Straßenrennsport über Motortouristik bis hin zum Kfz-Veteranensport und Pannenhilfsdienst organisiert.

Hier muß ein Mann – auch aus Stünz und ein Freund von Horst Bärsch erwähnt werden. Günther Hauschild scharte damals eine Gruppe von Motorsportfreunden um sich, die den Pannenhilfdienst auf den Autobahnen und Straßen im Leipziger Raum durchführten. Günter Hauschild war für das Vorhaben schnell gewonnen und setzte sich mit intensiver Überzeugungsarbeit beim Kreisvorstand des ADMV für den Veteranen-Schlepperclub ein. Das lohnte sich, denn bald gab man grünes Licht, den Club als eine Sektion in den ADMV Engelsdorf einzuordnen.

Nun könnt endlich die offizielle Gründung des Lanz-Bulldog-Clubs ins Auge gefaßt werden. Ein ganzes Jahr sollte noch vergehen, bis sich die Idee durch das zielstrebige Wir-ken der Initiatoren zu greifbarer Realität entwickelt hatte.

Zur Gründungsversammlung am 21.03.1985 in Engelsdorf bei Leipzig waren bereits 11 Bulldogfreunde anwesend. Dort wurde beschlossen, daß der zu gründende Club den Namen „1. Lanz-Bulldog-Club der DDR Leipzig-Engelsdorf“ tragen wird. Als Vorstandsmitglieder wurden als Erster Vorsitzender Horst Bärsch, als Zweiter Vorsitzender und technischer Referent Erich Beyreuther und als Schriftführer Erhard Böhme gewählt.

Der Zweck des Clubs besteht darin, historische Traktoren und Landmaschinen zu pflegen, zu erhalten und zu restaurieren und einen interessierten Publikum im originalen Einsatz zu demonstrieren.

Im Mai 1986 war die erste Bewährungsprobe. Anläßlich eines vom ADMV organisierten Kraftfahrzeug-Veteranentreffens im Sportforum Leipzig beteiligte sich der 1. Lanz-Bulldog-Club mit 4 Schleppern. Dies war die erste Veranstaltung mit Oldtimertraktoren in der DDR, und die vielen Schaulustigen zeigten ein starkes Interesse an den Bulldogs. Die Begeisterung zeigte, daß der Club mit seinen Schleppern gut „ankam“. Der Club setzte sich anfangs aus Mitgliedern zusammen, die beruflich irgendeiner Weise mit Fahrzeugen und Landtechnik zu tun hatten. Sie waren Kraftfahrer, Fuhrunternehmer, LPG-Mitglieder, Hobbybauern, Kfz-, Traktoren- und Landmaschinenschlosser.

Heute nach 20-jährigem Bestehen des Clubs haben wir über 100 Mitglieder, keine Nachwuchssorgen und es gehören auch Vertreter ganz anderer Berufszweige dazu, deren Interesse an den technischen und gesellschaftlichen Inhalten unseres Clublebens außerordentlich ist.